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Bergedorferin prangert Risiko für Reporter in nordafrikanischen Territorien an und setzt sich für den verurteilten Blogger Merzoug Touati ein.

(Foto privat, v.l.n.r.:)
Ghilas Aïnouche, ehemaliger Karikaturist der Satirezeitschrift Charlie Hebdo / Uli Rohde aus Bergedorf / Rapper und Journalist Meziane Abane, Journalist für die algerische Tageszeitung El Watan.



Hallo liebe Leser,
die Lage für journalistische Tätigkeiten in nordafrikanischen Staaten ist alles andere als erfreulich. Es werden restriktive Gesetze und Zulassungsverweigerungen durch Behörden (gerade bei Demos) für Medien erlassen oder Journalisten ausgewiesen, wenn sie über Protestbewegungen oder andere Tabuthemen berichten wollen.

Der Blogger Merzoug Touati wurde jüngst, nach Angaben der algerischen Nachrichtenseite TSA, im Mai 2018 zu einer Haftstrafe von 10 Jahren verurteilt. Das Strafgericht von Béjaïa hat Merzoug Touati für schuldig befunden, Kontakte zu einem Sprecher des israelischen Außenministeriums zu pflegen.

Eine, die mittendrin im Kampf um Menschenrechte und Medienzensur steckt, ist die gebürtige Bergedorferin, Kunst- und Deutschlehrerin, Kulturanthropologin und Chefredakteurin Uli Rohde. Einmal vor Jahren mit dem „Berber-Virus infiziert“, wird die Aktivistin heute von weit über 100.000 Imazighen für ihr politisches Engagement verehrt. Am Telefon hat sie mir direkt aus Paris ein ausführliches Interview zu dem Thema gegeben. Mehr dazu hier …
 

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Demos vor der marokkanischen Botschaft in Paris und am Trocadéro machen auf beängstigende Nachrichten aus Marokko und Algerien aufmerksam (Foto: privat).
 

Hindernisse für den Journalismus.

Die nordafrikanischen Territorien von Tunesien, Algerien, Marokko und Westsahara haben aufgrund ihrer Geographie und Geschichte viele Gemeinsamkeiten. Durch Unterzeichnung des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte im Jahre 1989 haben sich die Staaten dazu verpflichtet, internationale Menschenrechtsstandards zu befolgen und entsprechende Berichte vorzulegen.

Während z.B. die algerische Regierung beteuert, alles im Griff zu haben, nur noch einen „Rest-Terrorismus“ bekämpfen zu müssen und alle Voraussetzungen für einen Rechtsstaat zu erfüllen, sammeln Menschenrechtsorganisationen Hunderte von Zeugnissen von Flüchtlingen, ehemaligen Mitgliedern der Sicherheitskräfte, algerischen Besuchern in Europa und algerischen Menschenrechts-Aktivisten, die dieser Schönmalerei widersprechen. Und ihre Berichte sind erschütternd (Quelle: https://algeria-watch.org).

Dies bestätigt mir auch am Telefon die gebürtige Bergedorferin Uli Rohde, die Deutschland den Rücken gekehrt hat, um ihr politisches Engagement in Paris auszuleben. Dort, wo sie ganz nah an der Berberkultur ist und die Menschen wieder für die eigene Kultur begeistern sowie ein ganzes Volk coachen kann. Denn in Paris gibt es rund 1 Million legale Kabylen (eigentliche Zahl noch viel höher durch Illegale).

# Blog-Bericht über die junge Aktivistin Uli Rohde (klick)

 
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Uli Rohde geht in Paris auf die Straße für die Rechte von Kabylen (Foto: privat).
 

Interview über die Lage in Paris.

Heidi: „Moin Uli, du bist gerade ständig auf Demos und Veranstaltungen. Was ist los in Paris?“

Uli: „In den letzten Wochen und Tagen erreichen uns beängstigende Nachrichten aus Marokko und Algerien. In Algerien wurde der Blogger Merzoug Touati verurteilt, weil er ein Interview mit einem israelischen Soldaten, welches er lediglich via Skype führte, veröffentlichte. Ein marokkanischer Aktivist der Berberbewegung wurde gerade zu 20 Jahren ohne Bewährung verhaftet.

20 Jahre … das ist mehr als lebenslänglich bei uns. Es ist fast so etwas wie eine Todesstrafe, denn meines Wissens ist der Marokkaner der inhaftiert wurde, um die 40 Jahre alt. Wenn der da lebend wieder herauskommt, dann ist der 60 und wenn man sich dann noch die Umstände im Gefängnis vorstellt. Krass!

Die Höhe der Strafen lässt uns einfach erkennen, dass die Machthaber dieser beiden Länder bereit sind, zu Höchststrafen zu verurteilen, damit sich ja niemand mehr traut, aufzumucken.

Wenn du Urlaub in Marokko machst, bekommt du davon natürlich kaum bis gar nichts mit. Ich kenne Menschen, die sind mehrmals nach Marokko in den Urlaub gefahren und immer noch der Meinung, dass Marokko ein arabisches Land ist. Neuerdings sind sich die Machthaber auch nicht zu schade den Zensus zu manipulieren, falsche Sprecherzahlen zu erfinden, um im Ausland ein gutes Bild abzugeben – denn was wäre Marokko ohne seinen Tourismus?“

Heidi: „Warum erfahren die Urlauber denn nichts über die Menschenrechtslage?“

Uli: „Die Reiseführer schweigen meistens über die Probleme im Lande, weil sie den Touristen nicht den Urlaub verderben und ihre Lizenz nicht verlieren wollen. Nur wenn einige mal ganz genau nachfragen, dann erzählen sie, was in Marokko wirklich los ist.“

Heidi: „Es war doch früher auch noch schlimmer in Marokko, ich erinnere mich da an den Namen Hassan II, dem Vater des derzeitigen Königs Mohamed VI. Ich dachte die Lage hätte sich etwas verbessert. Irre ich da?“

Uli: „Es ist tatsächlich so, dass Mohamed VI, also der derzeitige König Marokkos vieles besser machen und ein liberaler König sein wollte. Er hat sich dafür eingesetzt, dass die schlimmen Taten seines Vaters aufgeklärt werden. Es gibt sogar Spielfilme über die Aktivisten, die im Gefängnis über Jahrzehnte verschwanden und zu allem Überfluss auch noch gefoltert wurden. Einmal sah ich selbst so einen Film und mir stockte der Atem bei dieser Brutalität. Das ist kein Science Fiction – das ist Realität.

Leider hat man im Moment den Eindruck, dass erneut Sitten von Hassan II auf uns zukommen. Das ist eine Katastrophe. Man könnte meinen, dass König Mohammed VI jetzt an allem Schuld sei, aber jeder weiß, dass er Marokko zwar repräsentiert, aber ganz andere Leute im Hintergrund die Fäden ziehen. Ich glaube nicht, dass er ein besonders schlechter Mensch ist. Ich glaube eher, dass ihm die Leute einen Garaus daraus machen, wenn er durchsetzt, was er für richtig hält.“

Heidi: „Du bist ja nun schon seit vielen Jahren ehrenamtlich im Menschenrecht in Nordafrika tätig. Habt ihr irgendwelche Strategien oder Pläne? Nehmt ihr das so hin mit den zwanzig und zehn Jahren Haft?“

Uli: „Wir waren am Freitag und am Sonnabend bei einer Demo vor der marokkanischen Botschaft in Paris und am Trocadéro. Am wichtigsten ist, dass man den Aktivisten vermittelt, dass man an der Sache dran bleibt und sie nicht vergessen werden. Wir haben auch noch ein paar Lieder, die wir der Sache widmen.

Überall im Land gab es während der Urteilsverkündigungen Demonstrationen und Proteste. Allein in Béjaïa, der Hafenstadt in der Kabylei mit ca. 190.000 Einwohnern, wo auch Merzoug Touati verurteilt wurde, gab es über 40 Festnahmen vor dem Gerichtsgebäude. Die Diktatoren meinen es gerade sehr ernst. Davon sollten wir uns aber nicht allzu sehr beeindrucken lassen, sondern für die gerechte Sache weiterkämpfen.

Ich würde mir wünschen, dass der Rest der Welt mal seine Äugelein aufmacht und unsere Politiker den Machthabern mal eine deutliche Ansage machen, anstatt denen noch unsere Waffen zu verkaufen, mit denen sie dann die Aufstände der Masiren kleinhalten. Den Widerstand im Keim ersticken. Es ist gar nicht so lange her, dass Deutschland an Algerien Kriegsschiffe verkauft hat. Und meines Wissens gab es auch ein System zur Überwachung der Internetnutzung der Algerischen Bevölkerung – made in Germany. Wir dürfen uns dann im Gegenzug nicht beschweren, wenn in Europa die Flüchtlinge Schlange stehen, weil die in ihrem Land Kopf und Kragen riskieren.“
 
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Uli neben Oulahlou, dem algerischen Singer-Songwriter, bei dem Konzert zum Gedenken der Ermordung von Matoub Lounès (Foto und Quelle: Redha Zouir).
 
Heidi: „Wie begegnen dir die Masiren, die dich treffen, bei Konzerten oder auf der Straße? Ich meine, du setzt dich ja schon ziemlich intensiv für sie ein.“

Uli: „Gestern war ich auf einem Konzert, eine Hommage an den ermordeten Sänger Matoub Lounes, über den wir ja schon im ersten Teil sprachen. Einige Frauen kamen zu mir, nahmen mein Gesicht in ihre Hände und küssten mich. Für mich sind das auch sehr bewegende Momente. Sie bedanken sich bei mir, dass ich an ihrer Seite stehe. Einige können nur kabylisch und davon verstehe ich noch nicht alles, aber ihre Gesten sind sehr eindeutig.“

Heidi: „Wie geht es jetzt bei dir weiter?“

Uli: „Ich freue mich, nun erst einmal in den Pariser Schulferien wieder nach Hamburg zu fliegen. Auch wenn Paris eine tolle Stadt ist, dann vermisse ich mein kleines Leben in Bergedorf doch ein wenig. Und ich habe den Menschen hier vor Ort noch so viel zu erzählen. Danach geht es in Paris weiter.“

 
# Uli Rohde auf Facebook (klick)
# Über die Bergedorferin Uli Rohde (klick)
# Verhaftung des Journalisten Abane Meziane (klick)
# Über den Karikaturisten Ghilas Ainouche (klick)
# Algeria-Watch, Verein für Menschenrechte (klick)

 
Nicht nur in der Türkei findet medienfeindliche Hetze als staatliches Programm statt. Auch in Nordafrika werden kritische Journalisten routinemäßig als „Verräter“ oder „Terroristen“ diffamiert und verurteilt. Mutige Menschen gehen auf die Straße und demonstrieren für Pressefreiheit, Menschenrechte und Demokratie.

So auch Uli Rohde, über die es in 2018 sicherlich noch viel mehr zu berichten gibt. Stolz präsentiert sie in Paris die Vielfalt der kabylischen Damenbekleidung, das kabylische Kleid mit aufgenähten Litzen oder anderen Verzierungen, um der heutigen Generation die Kultur ihrer Vorfahren wieder näher zu bringen. Denn nachdem die Kabylen ihre Sprache jahrzehntelang nur verbotenerweise gesprochen haben und ihre Traditionen beinahe verkümmert sind, gibt es in den letzten Jahren diverse Aktionen, wie beispielsweise das Festival des kabylischen Kleides (Festival de la robe Kabyle).

Dazu benutzt sie aufwendigen Silberschmuck sowie kabylische Stulpen oder Tücher mit dem roten Zeichen, der Buchstabe „z“ im Alphabet der Berber und deren Symbol, wenn sie vor ihrem großen Publikum auf der Bühne steht, ihre Gitarre nimmt und anfängt, ein Lied des Rebellenkünstlers Matoub Lounes zu spielen.

Kurzum: der dritte Teil über die Aktivistin Uli Rohde wird ebenso spannend wie die ersten beiden Teile und setzt sich mit äußeren, zur Schau getragenen Zeichen der Berber auseinander.

 
Eure HEIDI VOM LANDE
 


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Written by HEIDI VOM LANDE, Bloggerin